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Steigerwald Seite 4

Vier­te Sei­te (28. Novem­ber bis 4. Dezem­ber 2022)

Mon­tag, 28. Novem­ber 2022

Heute beginnt mei­ne vier­te Stei­ger­wald-Woche, es fühlt sich so an, als könn­te es die letz­te sein. Als ich hier ange­kom­men bin, habe ich mich sehr schlecht gefühlt. Vor allem war da die­se gro­ße Angst, der schein­bar end­lo­se kör­per­li­che Ver­fall der letz­ten Mona­te kön­ne wei­ter­ge­hen. Am Anfang die­ser Woche habe ich wirk­lich das Gefühl, es hat sich etwas posi­tiv sta­bi­li­siert. Ich füh­le mich weit davon ent­fernt, geheilt zu sein. Aber es ist mil­li­me­ter­wei­se ein wenig Sicher­heit gekom­men. Was sich mona­te­lang wie Treib­sand anfühl­te, hat ein wenig Fes­tig­keit bekommen.

Diens­tag, 29. Novem­ber 2022

Zu den Beson­der­hei­ten die­ser Kli­nik gehört ein umfang­rei­ches täg­li­ches Vor­trags- und Ver­an­stal­tungs­pro­gramm mit Qui­Gong, Medi­ta­ti­on, Autro­ge­nem Trai­ning, Pro­gres­si­ver Mus­kel­ent­span­nung und mehr. Ein wie­der­keh­ren­des High­light sind wöchent­li­che Aben­de mit Chef­arzt Dr. Chris­ti­an Schmin­cke, regel­mä­ßig ange­kün­digt mit dem schlich­ten Titel „Vor­trag und Fragen“.

Der 76-jäh­ri­ge ist selbst deut­lich kör­per­be­hin­dert. Viel­leicht ist es auch des­halb so fas­zi­nie­rend, ihn zu erle­ben, wie er im gro­ßen Stuhl­kreis all­ge­mein­ver­ständ­lich schwie­ri­ge medi­zi­ni­sche Fra­gen ver­mit­telt. Da thront kein Ver­kün­der von Alters­weis­hei­ten eines lan­gen Medi­zinerle­bens. Schmin­cke spricht, ohne Eitel­keit und Selbst­in­sze­nie­rung, mit lei­sem Ton­fall, freund­lich, humor­voll und ohne Wort­hül­sen. Dabei wirkt er manch­mal fast jugend­lich, wenn er, die Bei­ne läs­sig über­ein­an­der geschla­gen, in Jeans und Sak­ko, die kom­pli­zier­ten Sach­ver­hal­te in ein­fa­che Wor­te fasst.

Heu­te unter ande­rem die­sen: Die Schul­me­di­zin hält sich zugu­te, sie kön­ne Poly­neu­ro­pa­thien nur behan­deln, wenn es eine bekann­te Ursa­che gebe, zum Bei­spiel Dia­be­tes. Die­se Aus­sa­ge hat­te mich immer irri­tiert. Wes­halb soll­te die schul­me­di­zin PNP bei Dia­be­ti­kern behan­deln kön­nen, wenn sie bei ande­ren als unbe­han­del­bar gilt? Bei genau­em Hin­se­hen steckt hin­ter der Behaup­tung tat­säch­lich ein Eti­ket­ten­schwin­del. Schul­me­di­zi­nisch wür­de in einem sol­chen Fall zwar die Dia­be­tes behan­delt, das heißt, der Dia­be­ti­ker „rich­tig ein­ge­stellt“. Sei­ne Poly­neu­ro­pa­thie blie­be jedoch eben­so unbe­han­delt, wie bei Men­schen mit PNP “ohne erkenn­ba­re Ursa­che”. Mit allen ent­spre­chen­den Konsequenzen.

Mitt­woch, 30. Novem­ber 2022

Seit Anfang die­ser Woche gehe ich auf die Pis­te. Der Ober­arzt kam auf die Idee, ich sol­le ver­su­chen, nicht nur mit mei­nen Krü­cken (Unter­arm­geh­stüt­zen) zu gehen, son­dern mit Wal­king-Stö­cken, die ich wie Ski-Lang­lauf­stö­cke benut­ze. Der Vor­teil ist eine deut­lich auf­rech­te­re – nor­ma­le­re – Kör­per­hal­tung, der Nach­teil ist ein Ver­lust von Halt und Sicherheit.

Ich trai­nie­re das Gehen mit „den Din­gern“ hier auf dem Flur. Nach etwa 20 Metern (eine Bahn) bin ich schlapp, nach 40 Meter bin ich erschöpft. Der Bewe­gungs­ab­lauf, die Koor­di­na­ti­on, das Kon­zen­trie­ren strengt mich auf eine Wei­se an, die ich nicht für mög­lich gehal­ten hät­te. Schließ­lich weiß ich doch genau, wie man geht. Ich habe es schließ­lich mehr als sech­zig Jah­re gekonnt. Jetzt kann ich es nur noch theo­re­tisch. Prak­tisch muss ich es erst wie­der lernen.

Dabei wird mir bewusst, wie­viel in mei­nem Kör­per vor allem im letz­ten hal­ben Jahr “kaputt gegan­gen” sein muss. Vor sechs Mona­ten konn­te ich noch län­ge­re Stre­cken Rad­fah­ren und – mit Ein­schrän­kun­gen – halb­wegs nor­mal Gehen. Ich krie­ge einen hei­li­gen Zorn bei dem Gedan­ken an die kom­pe­ten­te Fach­kraft des Medi­zi­ni­schen Diens­tes, die es sich erlaub­te, ohne mich je zu sehen, mir kei­ne Ver­schlech­te­rung mei­nes Gesund­heits­zu­stan­des attes­tie­ren zu dürfen.

Der Ver­fall, der in die­ser Ent­wick­lung steck­te, ist durch die Behand­lung in der Kli­nik am Stei­ger­wald erst ein­mal gestoppt. Es hat sich etwas getan, und es tut sich auch wei­ter noch etwas. Das Gefühl habe ich immer mehr. Natür­lich mache ich mir die Hoff­nung, mir mög­lichst viel Ver­lo­re­nes zurück­ho­len zu kön­nen. Aber dabei darf ich mir die Lat­te wohl auch nicht uner­reich­bar hoch legen. Viel­leicht muss ich sogar in man­chen Din­gen das Schei­tern für mög­lich hal­ten, damit die Ent­täu­schung nicht zu groß wird. 

Wenn Ner­ven­ge­we­be zer­stört ist, so sag­te es Kli­nik­lei­ter Dr. Schmin­cke hier bei einem sei­ner Vor­trä­ge, dann lässt es sich nicht rege­ne­rie­ren. Als mir im August die­ses Jah­res bei einer Biop­sie am Unter­schen­kel das Pro­ben­stück eines Nervs ent­fernt wur­de, sag­te mir der Chir­urg, die­ses sei „stark ver­än­dert“. Eine Pro­be des Mus­kel­ge­we­bes eben­so. Ob da noch Rege­ne­ra­ti­on mög­lich ist, bleibt abzu­war­ten. Hoff­nung macht mir der Gedan­ke, dass Ner­ven mit einer Geschwin­dig­keit von 1 Mil­li­me­ter pro Tag wach­sen. Viel­leicht las­sen sich man­che Funk­tio­nen doch “neu ver­bin­den”. — Sieht so aus, als wäre das Leben wie­der span­nend gewor­den. Wir wer­den sehen, …

Frei­tag, 2. Dezem­ber 2022

Drei Wün­sche frei

Heu­te ist mein letz­ter Tag in der Kli­nik. Mor­gen rei­se ich nach drei Wochen und fünf Tagen ab. Zum Abschluss erlau­be ich mir drei Wün­sche für die Zukunft.

1.

Mei­ne Ein­schrän­kun­gen beim Gehen führ­ten dazu, dass Rad­fah­ren für mich immer wich­ti­ger wur­de. Im letz­ten Jahr habe ich des­halb mein Rad zum E‑Bike umge­baut. So wie die Din­ge ste­hen, wer­de ich es auf abseh­ba­re Zeit wegen Schwan­ken und Schwin­del nicht mehr benut­zen kön­nen. Auf das Rad­fah­ren zu ver­zich­ten, ist jedoch kei­ne Opti­on. Mit einem guten the­ra­peu­ti­schen Drei­rad (E‑Bike) den Kör­per zu trai­nie­ren und dabei nach und nach den Hori­zont zu erwei­tern, das wäre was. Ein sol­ches Rad gibt es nicht von der Stan­ge. Dabei geht es um ein the­ra­peu­ti­sches Hilfs­mit­tel nach SGB V, samt aller büro­kra­ti­schen Vor­schrif­ten und Vor­aus­set­zun­gen. Und schon kommt wie­der das Gespenst unschö­ner Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit Kran­ken­kas­se und Medi­zi­ni­schem Dienst aus den Ecken. Aber viel­leicht wer­de ich ja wirk­lich mal über­rascht mit Freund­lich­keit, Hilfs­be­reit­schaft, Kom­pe­tenz und Empa­thie. Das wäre schön …

2.

Eine Rei­se zum Public Record Office, dem bri­ti­schen Natio­nal­ar­chiv in Kew bei Lon­don möch­te ich schon sehr lan­ge unter­neh­men. Dort lagern noch vie­le unent­deck­te Doku­men­te aus der Zeit der bri­ti­schen Besat­zung nach dem Zwei­ten Welt­krieg — eine Wunsch­vor­stel­lung für einen His­to­ri­ker. Immer kam mir bis­her etwas dazwi­schen. Krank­heit, Coro­na-Beschrän­kun­gen, jetzt PNP. Wie die Din­ge jetzt ste­hen, wer­de ich wohl sehr gedul­dig sein müs­sen. Mich in einer Mil­lio­nen­me­tro­po­le wie Lon­don mit U‑Bahnen und Bus­sen zu bewe­gen auf Roll­trep­pen, Stra­ßen und Plät­zen wird mich auf abseh­ba­re Zeit hoff­nungs­los über­for­dern. Auch ein Besuch im Bun­des­ar­chiv im – ver­gli­chen mit Lon­don – Dorf Ber­lin müss­te sehr gut vor­be­rei­tet sein. Ob Ber­lin noch­mal klappt, viel­leicht sogar irgend­wann Lon­don? – Wer weiß es. Ein Wunsch bleibt es in jedem Fall.

3.

Auf einer Nord­see­insel in den Dünen sit­zen und bei anrol­len­der Flut beob­ach­ten, wie die Wel­len umschla­gen und auf dem Strand aus­lau­fen. Das könn­te ich sicher stun­den­lang. So lan­ge ich auf Geh­hil­fen oder Stö­cke ange­wie­sen bin – und das wird sicher noch eini­ge Zeit so blei­ben – kom­me ich sicher nir­gends rich­tig an den Strand. Auch nicht, für einen vor­sich­ti­gen Strand­spa­zier­gang. Bis dahin übe ich täg­lich in mei­nem Kopf­ki­no. Dort läuft jeden Tag fünf bis zehn Minu­ten mein „Traum von der Nord­see“. Wenn’s rich­tig gut läuft, schaf­fe ich mir dabei auch die Geräu­sche von Meer und Wind. Manch­mal sogar ein paar Möwen­schreie. Und wenn es rich­tig gut geht, spü­re ich den Sand in mei­nen Hän­den. – Zur Beloh­nung hole ich mir dann ein Fisch­bröt­chen vom Wochen­markt. Am liebs­ten mit dem Dreirad ;-).

 

Zurück zur drit­ten Woche

Für Erhard Krull †

Foto: Jür­gen Escher

Am 15. Novem­ber 2020 starb Erhard Krull. Vie­le Men­schen kann­ten ihn, beson­ders in Her­ford. Hier, aber auch dar­über hin­aus, hat er vie­le Spu­ren hin­ter­las­sen. Die Erin­ne­rung an ihn ist ver­knüpft mit einer Viel­zahl sozia­ler Pro­jek­te und der Samm­lung von Spen­den, die er ange­sto­ßen und ver­wirk­licht hat. Hin­zu kam die Ver­schö­ne­rung zahl­rei­cher Strom­käs­ten im Stadt­bild und ande­res mehr.

Erhard war mein Freund. Vie­le Din­ge haben uns ver­bun­den. Auch an mei­ner his­to­ri­schen Arbeit hat er inten­siv Anteil genom­men. Sei­ne Spu­ren fin­den sich des­halb eben­so auf die­ser Inter­net­sei­te. Sei­ne Hin­wei­se führ­ten dazu, dass ich begann, genau­er nach der außer­ge­wöhn­li­chen Geschich­te sei­nes Groß­on­kels Fritz Bock­horst zu gra­ben, der die Gesta­po­haft in Bie­le­feld nicht über­leb­te. Hin­zu kamen ver­schie­de­ne Bei­trä­ge und Gedan­ken von ihm zu mei­nen Arti­keln. Sei­nen letz­ten Kom­men­tar auf die­ser Sei­te schrieb er rund sechs Wochen vor sei­nem Tod. Er ende­te mit den Wor­ten: „Die­ter, mach wei­ter so! Das ist eine wun­der­ba­re Homepage.“

Trauerfeier am 4. Dezember 2020

Erhard kann­te den Ernst sei­ner Erkran­kung. Ein gutes Jahr vor sei­nem Tod bat er mich, bei sei­ner Bei­set­zung die Trau­er­an­spra­che zu hal­ten. Damals wirk­te der Gedan­ke, Erhard könn­te bald ster­ben, noch völ­lig unwirk­lich. Zu die­ser Zeit reis­te er noch viel und war nahe­zu rast­los unter­wegs. Die mög­li­che Erfül­lung sei­ner Bit­te schien Licht­jah­re entfernt.

Das Leben hat­te ande­re Plä­ne. Ich muss­te mein Ver­spre­chen am 4. Dezem­ber 2020, auf dem Andachts­platz im Fried­wald Kal­le­tal erfül­len. Für das Geden­ken hat­te ich das Lied „So vie­le Som­mer“ von Rein­hard Mey aus­ge­sucht. (Lei­der fand ich für die Ver­öf­fent­li­chung an die­ser Stel­le nur die Inter­net­fas­sung einer Fern­seh­auf­zei­chung mit Applaus. Ich hof­fe, die Stim­mung des Lie­des, das bei der Trau­er­fei­er natür­lich in der Ori­gi­nal­fas­sung abge­spielt wur­de, kommt trotz­dem »‘rüber« )

Die Ansprache für Erhard

(Wort­laut ohne per­sön­li­che Anmer­kun­gen an die Familie)

(…)

Lie­be Freun­din­nen und Freun­de von Erhard,

das Lied von Rein­hard Mey will bewusst an Erhards Lie­be zu den Sän­gern und Lie­der­ma­chern anknüp­fen. Zu sol­chen wie Han­nes Wader, von dem er noch vor zwei Mona­ten, in sei­nem letz­ten Leser­brief an die bei­den Her­for­der Tages­zei­tun­gen schrieb, dass er sei­ne Lie­der so sehr lie­be. Zu sol­chen wie Bob Dylan, von dem er vor ein­ein­halb Jah­ren wochen­lang sehr stolz war, noch eine Kar­te für des­sen Kon­zert in Bie­le­feld bekom­men zu haben.

Oder eben auch zu jenem Rein­hard Mey, des­sen Fra­ge, wie vie­le Som­mer noch blei­ben, fast unwei­ger­lich zu der Fra­ge führt, wie oft Erhard wohl denen, die ihm nahe waren, vor etwa vier, fünf Mona­ten noch in Gedan­ken zuge­trun­ken haben mag. In jener Zeit also, in der für ihn immer deut­li­cher wur­de, dass die­ser Som­mer wohl sein aller­letz­ter sein würde.

In einer Zeit, in der er zum Bei­spiel mit unge­heu­rer Wil­lens­kraft sogar noch zwei­mal nach Öster­reich auf­ge­bro­chen ist – in der aber bereits die Leich­tig­keit und die Kör­per­kraft fehl­ten, um in den besuch­ten Orten noch ein­mal, wie frü­her, her­um­zu­wan­dern oder auch nur ein wenig zu schlendern.

Jede Gene­ra­ti­on hat ihre eige­nen Lie­der und für die­je­ni­gen, die, wie Erhard in den 1960er/70er Jah­ren jeden noch so klei­nen Traum von Frei­heit, Frie­den, Gerech­tig­keit und Demo­kra­tie begie­rig ein­ge­so­gen haben, weil sie beim Ein­schal­ten von Fern­se­hern und Radi­os ver­zwei­fel­ten an den täg­li­chen Bil­dern und Berich­ten über Viet­nam-Krieg, Ras­sen­hass, Mor­de an poli­ti­schen Hoff­nungs­trä­gern, Kal­ten Krieg, Rüs­tungs­wett­lauf, unge­sühn­te Kriegs- und Nazi-Ver­bre­chen – für die­se Gene­ra­ti­on hat­ten und haben die Singer/Songwriter eine Bedeu­tung, die weit über die Musik hinausgeht.

Ein Bei­spiel für das, was den jun­gen Erhard Krull in die­sen Jah­ren aus­mach­te und was ihn beweg­te, zeigt eine Epi­so­de aus dem Som­mer 1976: Sei­ner­zeit mach­te der ehe­ma­li­ge Bun­des­kanz­ler Wil­ly Brandt eine mehr­tä­gi­ge Wan­de­rung durch den Teu­to­bur­ger Wald. Was heu­te allen­falls als eine poli­ti­sche Wer­be­tour beach­tet wür­de, hat­te damals noch eine ande­re Bedeutung.

Obwohl er bereits wegen der Guil­laume-Affä­re zurück­ge­tre­ten war, galt Brandt vie­len, vor allem jun­gen Men­schen, noch immer als ent­schei­den­de Sym­bol­fi­gur für Frie­den, für „mehr Demo­kra­tie“ und gesell­schaft­li­che Ver­än­de­rung. Es klingt des­halb nur kon­se­quent, wenn Erhard sich als dama­li­ger Gym­na­si­ast in Oer­ling­hau­sen aus der Schu­le schlich, um heim­lich an einer Ver­an­stal­tung mit Brandt teil­zu­neh­men, als die­ser durch die Stadt wanderte.

Dies ist aber nur der unbe­deu­ten­de Teil die­ser Geschich­te. Wirk­lich beson­ders wird sie, wenn man weiß, dass die Oer­ling­hau­ser Jun­ge Uni­on eine Demons­tra­ti­on gegen Brandt orga­ni­siert hat­te. Sie reih­te sich damit ein in das Stim­mungs­bild der dama­li­gen Bun­des­re­pu­blik, in dem alte und neue Nazis, CDU-Mit­glie­der und ande­re Brandt über Jahr­zehn­te  als „Vater­lands­ver­rä­ter“ ver­leum­de­ten, weil die­ser als poli­tisch Ver­folg­ter wäh­rend der NS-Zeit nach Nor­we­gen geflüch­tet war, weil er dort im Wider­stand gegen Nazi-Deutsch­land arbei­te­te und weil er nach 1945 sei­nen Tarn­na­men Wil­ly Brandt bei­be­hal­ten hatte.

Der damals 19-jäh­ri­ge Schü­ler Erhard Krull stell­te sich also demons­tra­tiv gegen sol­che schmut­zi­gen Machen­schaf­ten. Ihm war es wich­tig, auf der rich­ti­gen Sei­te dabei zu sein. Das erfor­der­te Mut, denn dafür erhielt er weni­ge Wochen vor sei­ner Abitur­prü­fung einen schrift­li­chen Tadel von sei­ner Schul­lei­tung. Ein Tadel, der eigent­lich eine Ehren­er­klä­rung war, für die ihn zuhau­se aber sehr viel Unan­ge­neh­me­res erwar­te­te, als nur Ärger in Worten.

Wer Erhard kann­te, wird von sol­cher Kon­se­quenz nicht wirk­lich über­rascht sein. Auch nicht davon, dass er selbst so gut wie nie über die­se Geschich­te gespro­chen hat.

Erhard wur­de 1956 in Hörs­te gebo­ren. Er ist in Wäh­ren­trup auf­ge­wach­sen. Das klingt nicht nur nach lip­pi­scher Pro­vinz. Im Schat­ten des Teu­to­bur­ger Wal­des ist Lip­pe länd­lich. Dies ist kei­ne Gegend für intel­lek­tu­el­le Höhen­flü­ge. Hier wur­den auch nie vie­le Wor­te gemacht und es konn­te schon mal etwas gro­ber zuge­hen, manch­mal auch bru­tal. In der Schu­le und auch in man­chem Elternhaus.

Bis in die 1970er Jah­re gab es hier an etli­chen Bau­ern­hö­fen noch groß­for­ma­ti­ge Email­le­schil­der, die mit der Auf­schrift „Drei­ge­teilt nie­mals“ auch ein Vier­tel­jahr­hun­dert nach dem ver­lo­re­nen Welt­krieg noch immer den Anspruch auf das Deutsch­land in den Gren­zen von 1937 erhoben.

Sol­che Din­ge muss­ten einen wie Erhard her­aus­for­dern. Er war von Jugend an ein zutiefst poli­ti­scher Mensch. Für ihn und sei­nen Bru­der Jür­gen war es ein Glück, dass es neben sol­chem kon­ser­va­ti­ven, manch­mal auch reak­tio­nä­ren Umfeld, auch einen sehr ver­ständ­nis- und lie­be­vol­len Groß­va­ter gab. Einen Mann, der vor 1933 als Sozi­al­de­mo­krat in Lip­pe noch gegen den Auf­stieg der Nazis gekämpft hat­te. Und außer­dem gab es in der Fami­lie noch die Geschich­te des Groß­on­kels Fritz Bock­horst, der als Nazi-Geg­ner unter unge­klär­ten Umstän­den in der Gesta­po­haft ums Leben kam.

Bei all dem ver­ach­te­te Erhard nichts mehr als poli­ti­sche Kum­pa­nei, Kun­ge­lei und Macht­spie­le. Poli­tik war für ihn Mit­tel zum Zweck und der Zweck war, dass es allen Men­schen gut gehen möge. Ein­fach zuse­hen, wenn Men­schen lit­ten, wenn Unrecht geschah, das hielt er nicht aus.

Wenn man sich mit Erhard unter­hielt und dabei auf irgend­ei­ne Not oder ein Unrecht zu spre­chen kam, dann gin­gen sofort immer alle Lam­pen an. Sol­che Gesprä­che waren nicht denk­bar, ohne dass ihm sofort eine Mög­lich­keit ein­fiel, irgend­wo noch eini­ge hun­dert Euro zu orga­ni­sie­ren, um spon­tan zu helfen.

Irgend­wen kann­te er immer, den er noch wegen Hil­fe und Unter­stüt­zung anspre­chen konn­te. Und selbst dabei schaff­te er es immer noch, zusätz­lich um ein paar Ecken mehr zu den­ken, um auch noch Bür­ger­kriegs­flücht­lin­ge oder jugend­li­che Straf­ge­fan­ge­ne in sei­ne Hilfs­pro­jek­te einzubinden.

Wenn er von irgend­wo­her um Hil­fe gebe­ten wur­de und es an Geld fehl­te, dann hielt er eben irgend­wo einen oder meh­re­re Vor­trä­ge über sei­ne Rei­sen oder sei­ne Pro­jek­te. Bei sol­chen Gele­gen­hei­ten stell­te er dann ein Spar­schwein auf, um für eine spe­zi­el­le medi­zi­ni­sche Behand­lung in Tan­sa­nia, für ein Wai­sen­haus in der Nähe von Kali­nin­grad, oder auch „nur“ für sei­nen Ver­ein Rad & Tat e.V. zu sammeln.

Ein Mensch, der in so vie­len Töp­fen rührt, über den wird gere­det. Und sei­en wir ehr­lich: Lei­der nicht immer nur gut. Erhard war sich des­sen bewusst. Er hat es hin­ge­nom­men, wenn ein­zel­ne Kol­le­gen oder ande­re ihn und sei­ne Akti­vi­tä­ten als etwas schräg, viel­leicht sogar als etwas spin­nert belächelten.

Wirk­lich getrof­fen hat es ihn, wenn es ein­zel­ne Miss­güns­ti­ge gab, die ihm unter­stell­ten, er wol­le sich nur wich­tig machen und sei­nen Namen in der Pres­se sehen. Sol­che Gemein­hei­ten konn­ten ihm sehr lan­ge nach­ge­hen, denn Erhard mag vie­les gewe­sen sein: Eitel war er eher zu wenig und ein Selbst­dar­stel­ler war er ganz sicher nie!

Für Erhard gehör­te immer alles zusam­men. Er lieb­te Men­schen, beson­ders jene, die der Hil­fe bedurf­ten. Er konn­te gar nicht anders. Erhard brach­te Men­schen zusam­men, um zu hel­fen und um mit ihnen zusam­men zu sein. Wo er war, da men­schel­te es. Immer. Da war es immer auch ein wenig bunt und warm. Er brauch­te kei­ne pathe­ti­schen Reden.

Aber es wür­de ihm nicht gerecht, ihn nur als den uner­müd­li­chen Kämp­fer mit dem gro­ßen Her­zen zu sehen. Wenn er etwas anzet­tel­te, dann tat er das immer auch, weil er eine tie­fe Sehn­sucht danach hat­te, Teil eines Gan­zen zu sein.

Er war „ein­zeln und frei“, wie es der von ihm ver­ehr­te Han­nes Wader in einem Lied sang. Aber er woll­te immer auch dazu gehö­ren – und geliebt wer­den. Bei ihm gab es immer „die­sen Hun­ger, die­se Gier, nach Schön­heit, Lie­be, nach dem Leben“, wie es in einem ande­ren Wader-Lied heißt.

Wir wis­sen nicht, was ihm durch den Kopf gegan­gen sein mag, wenn er bei sei­nen Spen­den­sam­mel­tou­ren wochen­lang allein auf sei­nem Fahr­rad tau­sen­de Kilo­me­ter durch Euro­pa fuhr. Sol­che Extrem­sport-Pro­jek­te haben ja immer ihre eige­nen Hin­ter­grün­de. Aber wir kön­nen wohl sicher sein, Erhard emp­fand sich durch sei­ne jewei­li­gen sozia­len Pro­jek­te immer mit sehr vie­len Men­schen sehr kon­kret verbunden.

Selbst so allein im Irgend­wo an einem Stra­ßen­rand vor Istam­bul,  St. Peter­burg oder Gibral­tar brauch­te er für sich wohl immer auch das Gefühl, zu etwas Grö­ße­rem zu gehö­ren. Dafür leis­te­te er sei­nen ganz per­sön­li­chen Bei­trag. Nie wäre es ihm dabei in den Sinn gekom­men, die teil­wei­se erheb­li­chen Auf­wen­dun­gen für sei­ne Aus­rüs­tung, Ver­pfle­gung, Über­nach­tun­gen usw. auch nur irgend­wie mit den gesam­mel­ten Spen­den zu „ver­rech­nen“. Und weil das so war, steck­te in jeder sei­ner Aktio­nen zusätz­lich zu allem per­sön­li­chen Herz­blut, sei­nem jewei­li­gen Jah­res­ur­laub und aller Arbeit immer auch noch ein erheb­li­cher mate­ri­el­ler Anteil, der eigent­lich nie wirk­lich gese­hen und auch nie gewür­digt wurde.

Spä­tes­tens an die­ser Stel­le stellt sich die Fra­ge, wie wird eigent­lich so einer, der in kein Sche­ma passt, der eigen ist und alles ande­re, als strom­li­ni­en­för­mig – wie wird so einer über vier Jahr­zehn­te zu einem Beam­ten des Finanz­am­tes für Steu­er­straf­sa­chen und Steu­er­fahn­dung? Einen wie Erhard stellt man sich vor mit wehen­den Haa­ren, in läs­si­ger Cord­ho­se und mit karier­tem Hemd als Leh­rer, sagen wir, für Deutsch und Geschich­te. Einer, den sei­ne Schü­ler lie­ben, weil er ihnen den Kas­par Hau­ser erklärt und die Lei­den des jun­gen Wert­her leben­dig macht.

Und genau das hät­te Erhard wohl eigent­lich wer­den wol­len. Dass er es nicht wur­de, ist wohl nur aus sei­ner ganz per­sön­li­chen Geschich­te zu erklä­ren. Nach dem Abitur hat­te er sich an der Uni Müns­ter für ein Lehr­amts­stu­di­um bewor­ben. Aller­dings war es wegen des dama­li­gen Nume­rus Clau­sus unsi­cher, ob er ange­nom­men wor­den wäre. Also bewarb er sich zusätz­lich bei der Finanz­ver­wal­tung. Die­ser Weg hat­te für ihn zwei Vor­tei­le. In den 1970er Jah­ren war – nicht nur in Lip­pe – noch die aus der Nazi-Zeit über­nom­me­ne Erzie­hungs-Rhe­to­rik ver­brei­tet, Kin­der soll­ten ihren Eltern nicht „auf der Tasche“ lie­gen. Von ihnen wur­de erwar­tet,  mög­lichst bald „eige­nes Geld zu verdienen“.

Umge­kehrt bot die Anstel­lung als Inspek­to­ren­an­wär­ter beim Finanz­amt für Erhard die Mög­lich­keit, sich von zuhau­se unab­hän­gig zu machen. Es ging ihm also nie dar­um, ein­zu­tau­chen, in die Welt der Ärmel­scho­ner- und Schlips­trä­ger. Er such­te eine Mög­lich­keit, „auf eige­nen Bei­nen zu ste­hen.“ Bei die­ser Ent­schei­dung blieb er auch, als er kur­ze Zeit spä­ter doch noch die Zulas­sung für Müns­ter bekam.

Es braucht nicht viel Phan­ta­sie, sich vor­zu­stel­len, dass einer wie Erhard auch kri­ti­sche Bli­cke auf sich zog – sowohl in sei­ner Behör­de als auch im gedie­ge­nen Ambi­en­te wirt­schaft­li­cher Unter­neh­men. Umge­kehrt ist es durch­aus nach­voll­zieh­bar, dass der Steu­er­fahn­der Krull nicht wirk­lich zu beein­dru­cken war, wenn bei­spiels­wei­se ein ost­west­fä­li­scher Fleisch­ba­ron sei­ne Haus­häl­te­rin mit dem Fahr­rad zur Grund­stücks­ein­fahrt schick­te, um den dort war­ten­den Finanz­be­am­ten abzu­ho­len, damit die­ser vor­ab eine Vor­stel­lung der Grö­ße von Besitz, Macht und Ein­fluss bekam, die bei der bevor­ste­hen­den Steu­er­prü­fung berück­sich­tigt wer­den sollten.

Wenn Erhard pri­vat andeu­tungs­wei­se sol­che Din­ge mal durch­bli­cken ließ, war immer zu erken­nen, dass er für sozia­le und Steu­er­ge­rech­tig­keit immer einen kla­ren Kom­pass hat­te. Manch­mal einen kla­re­ren als sein Dienst­herr, der Steuergesetzgeber.

Dabei zeig­te er bis zuletzt immer auch ein gro­ßes Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein. Noch im Sep­tem­ber die­ses Jah­res woll­te er, wäh­rend sei­ner Krebs­the­ra­pie und nach einer gro­ßen Hüft-OP und Reha, noch ein­mal für vier Stun­den täg­lich zurück an sei­nen Arbeits­platz, um den Kol­le­gen kei­nen unbe­ar­bei­te­ten Fall zu hinterlassen.

Vor allem in den letz­ten bei­den Jah­ren, als er wuss­te, es wird ernst, wirk­te es, als woll­te er dem Krebs davon­lau­fen. Und zwi­schen­durch sah es für kur­ze Zeit auch tat­säch­lich immer wie­der mal so aus, als könn­te er die­sem mie­sen Ver­rä­ter tat­säch­lich ein Schnipp­chen schlagen.

Wie ein Schwamm muss er in die­sen zwei Jah­ren ver­sucht haben, schö­ne Bil­der, beson­de­re Orte, außer­ge­wöhn­li­che Erleb­nis­se und die Tref­fen mit Men­schen auf­zu­sau­gen. Jeweils zwi­schen sei­nen teil­wei­se sehr belas­ten­den Krebs­be­hand­lun­gen reih­ten sich da Rei­sen nach Tan­sa­nia, Marok­ko, Tscher­no­byl, Ita­li­en, Mal­lor­ca, Irland, die deut­sche Ost­see­küs­te, dazu zwei­mal Öster­reich, mehr­fach Polen und der Besuch ver­schie­de­ner euro­päi­scher Weih­nachts­märk­te anein­an­der. Auch jetzt, wäh­rend wir uns hier von ihm ver­ab­schie­den, woll­te er eigent­lich den Weih­nachts­markt in Stet­tin besuchen.

Nicht zu ver­ges­sen, in all die­ser Zeit war er immer wie­der und auch sehr inten­siv für uns da, für sei­ne Fami­lie und sei­ne Freun­din­nen und Freunde.

(…)

Wohl Anfang Okto­ber schrieb er auf sei­ner Inter­net­sei­te mit dem schö­nen Namen Regen­bo­gen­jim­my sei­nen letz­ten Ein­trag. Er lau­tet: „Aus gesund­heit­li­chen Grün­den wird es wohl kei­ne Rei­se mehr geben. An Texel über den Jah­res­wech­sel  kann ich nicht mehr glau­ben. Vie­le Urlaubs­wün­sche blei­ben uner­füllt. Ich hat­te aller­dings ein erfüll­tes Leben.“

Ja, Du Guter, das hat­test Du wohl. Du hast etwas dar­aus gemacht.

Jetzt ist – um in Dei­nem Bild zu blei­ben – der Jim­my über den Regen­bo­gen gegan­gen. Wie wir Dich ken­nen, bist Du aber ver­mut­lich wohl dar­über gera­delt. Ganz sicher hast Du vie­le Din­ge bewegt. Viel mehr, als man­che Men­schen über­haupt für mög­lich hal­ten. Vor allem hast Du dabei Her­zen erreicht und Spu­ren hin­ter­las­sen. Auch, aber nicht nur im Her­for­der Stadtbild.

Für sehr vie­le Men­schen gibt es unglaub­lich vie­le Orte, an denen sie immer wie­der an Dich erin­nert wer­den. Weil sie dort mit Dir geses­sen, gere­det und geträumt haben – manch­mal sogar die Welt ein klein wenig ange­neh­mer und wär­mer machen durften.

Dan­ke, Erhard, mögest Du lächeln und Dei­ne Ruhe fin­den. Du hast es verdient.

Dan­ke, dass es Dich für uns gab.

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Extra-News­let­ter 04/2021:

Online-Ver­an­stal­tung der Volks­hoch­schu­le Herford:
Her­ford rund­um — Eine bild­li­che Füh­rung durch die Stadt vor hun­dert Jahren
Diens­tag, 20. April 2021, Beginn: 19 Uhr,
Refe­rent: Die­ter Begemann

Stel­len Sie sich vor, Sie ste­hen auf einem erhöh­ten Aus­sichts­punkt über Her­ford und sehen rund­um auf die Stadt, wie sie vor hun­dert Jah­ren war. — Das geht nicht, sagen Sie? Doch, das ist mög­lich — mit einer klei­nen tech­ni­schen Hil­fe und sogar von zuhau­se aus. Dann aber auch mit lang­sa­men Schwenks über (fast) das gesam­te Stadt­bild und mit der Mög­lich­keit, Details her­an zu »zoo­men«. Mit dem Blick auf alte Stadt­tei­le, auf Fabrik­schorn­stei­ne, in Hin­ter­hö­fe, Gär­ten und vie­les mehr …

Sie benö­ti­gen einen PC/Laptop oder ein mobi­les End­ge­rät mit einem Internetanschluss.
Anmel­dung mög­lichst bis zum 19.04.2021.

Kurs­ge­bühr: 8 Euro

Anmel­dung und wei­te­re Details fin­den Sie auf den Sei­ten der VHS Her­ford unter:
https://vhsimkreisherford.de/kurse/politik-gesellschaft-geschichte/kurs/Herford+rundum+-+Eine+bildliche+Fuehrung+durch+die+Stadt+vor+hundert+Jahren/nr/20–16401/bereich/details/kat/10/#inhalt

Die Geschich­te hin­ter der Geschichte:
Anfang der 1920er Jah­re pro­bier­te der Her­for­der Karl Arnold etwas, das nicht nur für einen 17-jäh­ri­gen Lehr­ling des Pho­to­gra­phen­hand­werks, wie er es damals war, eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung dar­stell­te. Mit einer soge­nann­ten Rei­se­ka­me­ra, einem Holz­ge­stell von der Grö­ße eines Rei­se­kof­fers, bestieg er an einem Som­mer­tag den Turm der Stift­ber­ger Kir­che. Mit gro­ßem Auf­wand mach­te er von dort ins­ge­samt acht Glas­plat­ten­auf­nah­men sei­ner Hei­mat­stadt, die er spä­ter zu einem lan­gen Pan­ora­ma­bild zusammenfügte.

Aus uner­klär­li­chen Grün­den geriet Arnolds außer­ge­wöhn­li­che Arbeit in den fol­gen­den Jahr­zehn­ten in Ver­ges­sen­heit. Das Pan­ora­ma wur­de zer­stört, ein wich­ti­ger Teil ver­schwand sogar schein­bar spur­los. Erst Anfang der 2000er Jah­re erkann­te der dama­li­ge Stadt­ar­chi­var Die­ter Bege­mann die Bedeu­tung der erhal­te­nen Frag­men­te. Es gelang ihm auch, den ver­schwun­de­nen Haupt­teil aus­fin­dig zu machen, um dann das gesam­te Pan­ora­ma am Com­pu­ter zu rekon­stru­ie­ren. So ent­stand ein rie­si­ges Foto, das mit der Bild­hö­he eines DIN-A4-Blat­tes eine Gesamt­brei­te von mehr als vier Metern erreichte.

Die beson­de­re Bild­qua­li­tät erlaubt einen abso­lut außer­ge­wöhn­li­chen Blick in eine ver­gan­ge­ne Welt. Wie bei einer Kame­ra­fahrt ist zu erken­nen, was Arnold vor hun­dert Jah­ren bei sei­nem Rund­um-Blick vom Stift­berg sah. Eine Stadt im Auf­bruch, mit Fabrik­schorn­stei­nen, neu ent­ste­hen­den Stadt­tei­len, Bli­cken in Hin­ter­hö­fe, Gär­ten und vie­les mehr — immer wie­der auch mit der Mög­lich­keit, Details her­an zu “zoo­men”.

Gera­de die­se beson­de­re Art der Quel­le scheint für eine Online-Ver­an­stal­tung über Her­ford in den 1920er Jah­ren beson­ders geeig­net, um inhalt­li­chen Vor­trag und Bil­der wie in einem Film mit­ein­an­der zu verbinden.

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Geschichte(n) zum Hinhören

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Von der Idee zum ersten Podcast

… wo die Ideen ler­nen, zu fliegen.

Die »Spu­ren­su­che« auf www.dieter-begemann.de war bis­her eine rein opti­sche Ange­le­gen­heit mit Tex­ten und Bil­dern. Eigent­lich soll­te das auch noch eine gan­ze Wei­le so blei­ben. Ich fand den Gedan­ken zwar reiz­voll, mei­ne Geschich­ten irgend­wann nicht mehr nur in les­ba­rer Form zu ver­öf­fent­li­chen, son­dern sie auch hör­bar zu machen. Aber das hat­te für mich kei­ne Eile.

Dann kam – wie so oft – das »rich­ti­ge Leben« dazwi­schen. Dar­aus ent­stand die Idee zum ers­ten Pod­cast. Wie das genau geschah, ver­rät dieses 

MAKING OF … Pod­cast 1

 

Die »Spu­ren­su­che für Ohren­zeu­gen« schafft neue Mög­lich­kei­ten. Die­se dür­fen sicher nicht über­be­wer­tet wer­den, aber sie kön­nen hel­fen, Geschich­te neu und anders zu prä­sen­tie­ren. Sie sind kein Selbst­zweck, aber sie kön­nen ein gutes Medi­um sein, um mehr Men­schen zu errei­chen und die Mög­lich­kei­ten für die his­to­ri­sche Spu­ren­su­che, zu erweitern. 

»Spurensuche für Ohrenzeugen« heißt für mich erst einmal:
  • Die Pod­casts sind kostenlos.
  • Die ein­zel­nen Fol­gen erschei­nen in unre­gel­mä­ßi­gen Abständen.
  • Sie kön­nen auf die­ser Sei­te abon­niert und auch her­un­ter­ge­la­den wer­den. Zusätz­lich wer­den sie auch bei i‑tunes, Spo­ti­fy und you­tube eingestellt.
  • Die Pod­casts sind lizen­siert nach den Crea­ti­ve-Com­mons-Regeln und ent­spre­chend urhe­ber­recht­lich geschützt.

Alles Ande­re wird sich ent­wi­ckeln. Ich lade sehr herz­lich dazu ein, mög­lichst vie­le Men­schen auf die »Spu­ren­su­che für Ohren­zeu­gen« auf­merk­sam zu machen. Und natür­lich freue ich mich sehr über Mei­nun­gen, Anre­gun­gen und Kritik.

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Spurensuche für Ohrenzeugen (Podcast)

Auswahl der Folgen

Die »Spu­ren­su­che« auf www.dieter-begemann.de war bis­her eine rein opti­sche Ange­le­gen­heit mit Tex­ten und Bil­dern. Eigent­lich soll­te das auch noch eine gan­ze Wei­le so blei­ben. Ich fand den Gedan­ken zwar reiz­voll, mei­ne Geschich­ten irgend­wann nicht mehr nur in les­ba­rer Form zu ver­öf­fent­li­chen, son­dern sie auch hör­bar zu machen. Aber das hat­te für mich kei­ne Eile.

Dann kam – wie so oft – das »rich­ti­ge Leben« dazwi­schen. Es ent­stand die Idee zum ers­ten Pod­cast. Wie das genau geschah, ver­rät das »MAKING OF … Fol­ge 1«. Die Mög­lich­keit zum Abru­fen sol­cher Zusatz­in­for­ma­tio­nen und Hin­ter­grün­de will ich in Zukunft mög­lichst bei allen mei­ner »Spu­ren­su­chen für Ohren­zeu­gen« anbieten.


MAKING OF … Fol­ge 1:


FOLGE 1:

Ende einer Legen­de. Die Geschich­te eines Todes in der Gestapo-Haft

Fritz Bock­horst starb am 30. Juni 1944. Als Geg­ner des Nazi-Regimes war er ver­haf­tet wor­den. Es folg­ten wochen­lan­ge Fol­ter und Ver­hö­re. Töte­te er sich selbst? War sein Tod eine Fol­ge der Fol­ter? War es Tot­schlag oder Mord? - Wei­ter zur Fol­ge 1 ->


MAKING OF …  Fol­ge 2: Eine Erin­ne­rung an Hen­ny Ploeger

Hin­ter­grün­de und Infor­ma­tio­nen zur Geschich­te hin­ter der Geschich­te von Fol­ge 2. Dar­un­ter auch eini­ge Hin­wei­se, wie es mög­lich war, dass eine außer­ge­wöhn­li­che Frau mehr als 70 Jah­re nahe­zu ver­ges­sen war.


FOLGE 2:

Viel mehr als nur die Frau »an sei­ner Sei­te«. Eine Erin­ne­rung an Hen­ny Ploeger

Hen­ny Ploe­ger war die Ehe­frau des Her­for­der Nazi-Opfers Hei­ko Ploe­ger. Den vor­herr­schen­den Vor­stel­lun­gen ihrer Gene­ra­ti­on ent­spre­chend, war sie die Frau »an sei­ner Sei­te«. Beschei­den, unauf­fäl­lig, still. Wer sich näher mit der Geschich­te der bei­den beschäf­tigt, ent­deckt jedoch noch eine ganz ande­re Hen­ny Ploe­ger. Mutig, am Wider­stand betei­ligt und bis zum Letz­ten um das Leben ihres Man­nes kämp­fend – bis sie dar­an zer­brach … Wei­ter zur Fol­ge 2 ->


Fol­ge 3:

(zur Zeit in Arbeit)


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